Christopher
Ramm
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A Peculiar State

„A Peculiar State“ ist eine Multimedia-Konzert-Performance für eine_n Tänzer_in , Cembalo, Licht und Video. Auf einer postdigitalen Waldlichtung trifft das Publikum auf einen Ritter, der an einem virtuellen Lagerfeuer sitzt und sich den Kopf über diesen „seltsamen Zustand“ zerbricht, in dem wir uns befinden. Dabei schlägt das Stück eine Verbindung zwischen der gesellschaftlichen Melancholie zu Beginn der Neuzeit und der gegenwärtigen Verlorenheit im Zeitalter des Post-Internets. Mit der „Kopernikanischen Wende“ zu Beginn des 17. Jahrhunderts musste sich die Menschen in Europa mit der Erkenntnis herumplagen, nicht mehr der Mittelpunkt des Universums zu sein, sondern nur irgendein sich drehender Stein im All. Zuvor war die Welt mit Himmel, Erde und Hölle in eine klare göttliche Ordnung unterteilt. Während Gott im Himmel herrschte und der Teufel in der Hölle, bestand ein Großteil der mittelalterlichen Wissenschaft darin, zu ergründen, ob etwas das Werk des Teufels oder das Werk Gottes war. Mit dem Zerbrechen der Gewissheit eines klaren göttlichen Plans durch die Erkenntnis der Verlorenheit im All sowie mit dem Aufkommen der modernen Wissenschaft geriet die vorneuzeitliche Ordnung enorm ins Wanken. Dabei spielten verschiedene Technologien ebenso eine Rolle wie Glaube, Spiritualität und die Frage nach Sinn und Bedeutung von Körper und Geist.

Heute, 500 Jahre später, scheint uns die tradierte Ordnung angesichts gesellschaftlicher und technologischer Veränderungen wie Künstlicher Intelligenz, sozialer Medien und Robotik immer weiter zu entgleiten. An genau diesem Punkt trifft das Publikum auf einen Ritter, eines der überladensten Symbole cis-männlicher Fantasien. Gefangen in einer glänzenden Ritterrüstung sitzt er, wie aus der Zeit gefallen, an einem virtuellen Lagerfeuer. Die Welt, die ihn umgibt, scheint ihm fremd zu sein, doch ebenso fremd scheint er auch sich selbst und seinem eigenen Körper zu sein. In einem wiederkehrenden Loop hadert er mit der Welt. Welche Geschichte erzählen wir uns und wer ist eigentlich die Erzähler*in? „Oh, what a peculiar state.“

„A Peculiar State“ wurde am 08.11.2024 im Forum Theater der HFMT uraufgeführt. Ausgangspunkt des Stückes ist Christopher Ramms Komposition für Cembalo, die denselben Titel trägt und im Sommer 2024 entstanden ist. Inspiriert ist die Komposition von der Cembalo-Musik der englischen Renaissance, die von einer starken Melancholie geprägt ist. Deutlich wird das zum Beispiel in Thomas Tomkins' „A Sad Pavan for These Distracted Times“ aus dem Jahr 1649. Ergänzt wird das Ganze durch analoge Synthesizer und stark bearbeitete Sprachaufnahmen. Im Verlauf des Stückes wird das Cembalo durch Live-Effekte so weit elektronisch verändert und digitalisiert, dass sich der Sound von frühneuzeitlicher Pavan zu gegenwärtiger Glitch-Ästhetik und Deconstructed Electronic verändert.

Das Bewegungsmaterial ist von NPC-Acting inspiriert und wird durch Lip-Syncing ergänzt. Die Bühne entsteht durch das hyperreale Video-Setting, das in der Unreal Engine designed wurde. Das Publikum nimmt auf der Bühne, am virtuellen Lagerfeuer des Ritters, Platz. Von hier aus entfaltet sich eine hybride, halb virtuelle, halb analoge Welt, die sich von einem digitalen Märchenwald in ein postdigitales Wasteland verwandelt, das an eine Simulation der Welt nach der Klimakatastrophe erinnert. Gemeinsam mit dem Publikum begibt sich „A Peculiar State“ auf die Suche nach der Frage, warum sich alles so seltsam anfühlt in unserer zersplitterten, postdigitalen Realität.


A Peculiar State im Radio:

A PECULIAR STATE bei DEUTSCHLANDFUNK

Komposition/Konzept/Regie/Video/Licht/Sound-Design: Christopher Ramm
Cembalo: Elena Khurgina
Performance: Kyte Brüggmann
Make Up/ Kostüme: Marco Merenda
Unreal Support: Carmen Kleykens Vidal
Licht Technik: Giovanni Dinello
Tech Support: Ian Whillock, Candid Rütters
Mentoring: Alexander Schubert

Herzlichen Dank an:

HfMT Hamburg Multimedia Composition
HfMT Hamburg Cembalo Department
HfMT Hamburg Forum Team
Deutsches Schauspielhaus Hamburg Kostümabteilung
Lorenz Vetter
Wanja Neite

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